Meine Frau und ich, wie ihr vielleicht wisst, veröffentlichen in regelmäßig-unregelmäßigen Abständen den tacheles-podcast (tachelespodcast.de) zum Thema Feminismus, Ungleichheit, Chancen uvm. Themen, die uns interessieren und über die einmal Tacheles geredet werden sollte.
Eines, das wir bereits behandelten oder auch immer wiederkehrend im Podcast aufgegriffen haben, ist das des gender pay gaps.
Der Gender Pay Gap beschreibt den geschlechtsspezifischen Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern.
https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Verdienste/Verdienste-Verdienstunterschiede/gender-pay-gap.html
Die Genderlücke bezieht sich nicht nur auf die Ungleichheit bei der Bezahlung für die gleiche Arbeit von Frauen und Männern. Sie ist viel umfassender und findet sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaftsstruktur wider. Um nur einige Beispiele zu nennen wären da noch: die Gender Pension Gap (die Rentenlücke in der Altersvorsorge) oder die Gender-Data-Gap (Datenlücke bei der Datenerhebung). Interessant sind auch noch folgende Punkte zu nennen: Verteilung von Posten in Führungsetagen, die Berufswahl und die Bildungschancen. Außerdem ist es unerträglich zu wissen, dass alleinerziehende Mütter zu 43% als einkommensarm gelten. Somit ist die Altersarmut von vormals Alleinerziehenden, vorprogrammiert. (Datenquelle: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/themen/aktuelle-meldungen/2021/juli/armutsrisiko-von-alleinerziehenden-verharrt-auf-hohem-niveau Die Quote der Alleinerziehenden Mütter liegt bei 88%.
Und dann stieß ich, als ich mich näher im Vorfeld mit Norwegen beschäftigte, eben auf dieses Thema und welchen Weg zur Schließung der Genderlücke Norwegen bereits erfolgreich gegangen ist. Um dies zu belegen, habe ich hier einen Auszug aus der Seite des OECD.
Dies ist ein Auszug aus der Seite, die etwas unterhalb ihre Quellenangabe findet:
Norwegian women have high education and employment participation compared with other OECD countries. Boys often lag behind in student performance in secondary schools, and girls outnumber boys in successfully completing upper secondary education within the stipulated time by more than 15 percentage points. Young women made up 58% of students entering tertiary education in 2009.
In 2011, 73% of Norwegian women aged 15-64 were employed, about 16 percentage points above the OECD average. The gender gap in labour force participation has halved over the last two decades to 5 percentage points in 2011. The Norwegian systems of student financing, parental leave and affordable formal child care of high quality has played an important role in achieving these results. In Norway, women occupy 40% of parliamentary seats and 40% of board seats in listed companies, as related to the introduction of the legal requirement in 2006 that both men and women have to make up at least 40% of boards of companies listed on the stock exchange (and a range of other companies).
Young women may have overtaken young men in levels of educational attainment, but there remain persistently wide gender gaps when it comes to the field of study: in 2010 the proportion of tertiary degrees awarded to Norwegian women was 83% in health and welfare studies but only 20% in computer sciences. Because of the different educational choices, female employment tends to be concentrated in fewer occupations than men: in 2009, half of the working women in Norway were employed in seven occupations while this concerned 14 occupations for men.
https://www.oecd.org/norway/Closing%20the%20Gender%20Gap%20-%20Norway%20en.pdf
Was mir insgesamt im Kleinen und im Großen in Norwegen während unserer Reise aufgefallen ist, möchte ich kurz darstellen.
Wenn man ganz einfach anfangen möchte. Zuerst einmal sind es die Toiletten. Hier wird nicht zwischen Männlein und Weiblein unterschieden. Und dies ist auch bei den Duschen häufig der Fall. Die Duschkabinen sind für jedes Geschlecht in einem Raum vereinigt. Und vorbildlich ist auch der Zugang zu den sanitären Anlagen. Überall gibt es Rampen und die Türen öffnen sich zumeist automagisch.
In Einkaufsläden und Einkaufsketten sah man, im Gegensatz zu Deutschland, viel mehr Verkäufer arbeiten.
Und dann war da noch das Problem mit unserem Zigarettenanzünder im Auto. Dieser scheint einen Wackelkontakt zu haben. Dieser ist für uns von großer Bedeutung, damit wir auf der Fahrt unsere Powerstation aufladen und hierüber unsere Kühlbox betreiben können. Zwar nutzen wir überwiegend das Solarpanel… aber das führt an dieser Stelle zu weit. Wir fuhren also kurzentschlossen zu einem Renaulthändler. Die Frau am Empfang überlegte kurz und versuchte einen Mechaniker herbeizurufen. Dieser hatte aber eine Reparatur durchzuführen, die noch eine halbe bis eine Stunde dauern könnte. Sie bot uns einen Kaffee an, nahm unseren Autoschlüssel entgegen und verließ den Empfangsbereich. Dabei begann sie mit der Diagnose und konnte schon erste Hypothesen aufstellen und Vieles ausschließen, was der Mechaniker hätte untersuchen müssen. Auch wenn ich damals Englisch als Leistungskurs am Abendgymnasium belegt hatte, war ich von ihrem Englisch angetan und sie stellte mein „Gestammel“ vollends in den Schatten, abgesehen von ihrer Fachkompetenz und unermesslichen Freundlichkeit. Da ihr die Wartezeit als zu lange für uns erschien, zumal wir mit Hund unterwegs sind, rief sie umgehend eine Dependance an und reservierte dort für uns einen freien Mechaniker. Dieser half uns umgehend und verwertete dabei bereits die Erkenntnisse und die Hypothesen der Dame aus Jessheim. Und auch in der Dependance konnte ich wahrnehmen, wie die junge Frau am Empfang neben ihren Aufgaben im Verwaltungsbereich, Reparaturen und Aufträge an den Autos übernahm.
Dies kenne ich aus Deutschland anders und habe hier den direkten Vergleich, weil nicht vor allzu langer Zeit, mein Auto in der Inspektion war. Hier gab es eine klar hierarchische Struktur und es schien, als hätten die Männer die Herrschaftsmacht. Anfragen wurden teils von den Empfangsdamen in demutsvoller Haltung an die Mechaniker weitergeleitet. Und mir wurde zu verstehen gegeben, dass ich in 1/1/2 Stunden wiederkommen sollte, der Mechaniker hätte nun Mittagspause. Ganz anders die Dame aus Norwegen, sie fragte nach, machte Vorgaben und wie beschrieben, kümmerte sie sich mit viel Sachverstand bereits selber um die technische Angelegenheit.
Egal ob Mann oder Frau. Stets habe ich eine Zugewandheit und Höflichkeit erlebt, die vielleicht aus diesem Fundus der größeren Gleichberechtigung schöpft. Wie heißt es in London immer so schön an U-Bahn-Stationen? Mind the gap. Eigentlich soll er die Zugpassagiere vor der Lücke zwischen dem Bahnsteig und den Türschwellen der Bahn warnen. Vielleicht sollten wir diesen Ausspruch aber auch zu unserem Mantra machen. Es scheint sich Vieles aus dem Schließen dieser künstlich herbeigeführten Lücke zum Guten zu wenden. Nur hüten sollten wir uns vor den Rückwärtsgewandten, die überall wie übelriechende Stinkmorcheln ihre bösen Fratzen zeigen.
Doch gibt es auch in Norwegen noch einige Menschen, die noch nicht auf den Zug der Gleichberechtigung aufgesprungen sind. Für diese möchte ich stellvertretend den Campingplatzbetreiber mit den sanitären Anlagen der 70er erwähnen. Dieser hatte die Spül- und Waschmaschinen in den Damentoilettenbereich verfrachtet. Dies ist wohl ein eindeutiges Statement. Auch war der Toilettenbereich absolut nicht behindertengerecht. Wie erschrak ich nachts um 2:00 Uhr, als ich zur Toilette musste und seine Frau neben dieser hockte und dabei war die WCs zu schrubben. Der Herr war wahrscheinlich im Reich der Träume. Er saß zumeist mürrisch am Empfangstresen oder fuhr gelangweilt mit dem Rasenmähertraktor über die Anlage.
Aber der Wandel in Norwegen ist trotzdem deutlich spürbar und ist in so vielen Kleinigkeiten zu erkennen. Laut einiger NGOs, wirft Corona diese Entwicklung in allen Ländern zurück. Frauen wurden in den westlichen Ländern in der Pandemiezeit häufiger entlassen als Männer. Doch sollten wir dieses Ziel der Lückenschließung nicht aus den Augen verlieren und jeden Tag gemeinsam daran arbeiten diese zu verkleinern oder zu schließen.
Aus eigener Erfahrung kann ich als Sonderpädagoge sagen: Es fühlt sich sehr gut an, wenn man mit erfahrenen Kolleginnen und Kollegen arbeiten darf, wenn Führungspositionen weiblich als auch männlich besetzt sind und alle das gleiche Geld für die gleiche Arbeit bekommen. Naja, fast. Wäre da nicht die Elternzeit, die finanziell sich stark auf die spätere Pension auswirkt. Wo bleibt hier die Anerkennung der care Arbeit?
Wer sich hiermit näher beschäftigen will, dem empfehle ich das Buch: Raus aus der mental load Falle von Patricia Camerata.
Mind the gap.
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